BVN-Mitarbeiterinnen zu Besuch im RUW-Gebiet

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Fachlicher Austausch zur Herdentypisierung

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    BVN-Mitarbeiterinnen zu Besuch im RUW-Gebiet. Unter anderem wurde der bekannte Zuchtbetrieb von Marcel Biermann in Eslohe besichtigt. © RUW

Im Rahmen unserer Veranstaltungen zur Herdentypisierung durften wir kürzlich zwei Kolleginnen unseres langjährigen Partners, dem Besamungsverein Neustadt a.d. Aisch e.V., bei uns begrüßen. Gemeinsam besuchten wir an zwei Tagen verschiedene Betriebe im Sauerland und tauschten uns intensiv über praktische Erfahrungen mit der Herdentypisierung aus.

Genomische Werte als Werkzeug im Alltag

Aus der Oberpfalz und Mittelfranken angereist, starteten wir gemeinsam mit unseren Gästen in Schmallenberg beim Betrieb von Christoph Poggel. Dieser begann 2018 mit der Typisierung seiner Tiere und bezog 2019 einen neugebauten Stall für rund 70 Kühe.

Seitdem hat Christoph Poggel eine starke Leistungssteigerung von +2.000 kg in seiner Herde realisieren können. Auch in arbeitswirtschaftlicher Hinsicht wurde der Betrieb durch den gezielten Einsatz moderner Technik und durch bauliche Lösungen optimiert. 

Ein weiterer Meilenstein war der Beginn der Herdentypisierung – ein Schritt, der den Zuchtfortschritt im Betrieb spürbar vereinfachte. Christoph Poggel setzt dabei konsequent auf genomische Zuchtwerte, da diese eine gezielte Zucht auf die gewünschten Merkmale für jeden Landwirt praktikabel machen. Nach der beeindruckenden Leistungssteigerung in der Herde liegt sein aktueller Fokus auf der Verbesserung der Inhaltsstoffe. Gleichzeitig legt er viel Wert auf die Gesundheitszuchtwerte, allen voran die Eutergesundheit. Den Vergleich von Genotyp und Phänotyp – also die Übereinstimmung zwischen den genomischen Zuchtwerten und den tatsächlichen Ausprägungen im Tier – konnte Christoph Poggel eindrucksvoll an mehreren Kühen demonstrieren.

Leistung, Langlebigkeit und Züchterleidenschaft

Unsere Tour führte uns weiter durch das Schmallenberger Sauerland in Richtung Eslohe – zur Zuchtstätte unseres RUW-Bullen CHAMPION. Nicht nur im RUW-Gebiet und bei unserem Partner dem BVN in Bayern ist der Bulle stark nachgefragt. Im Jahr 2024 schaffte CHAMPION es auf die Topliste der meisteingesetzten Bullen in ganz Deutschland.

Beim Betrieb Biermann angekommen wird schnell klar: Rinderzucht wird hier von der ganzen Familie gelebt. Bereits im Jungviehstall begegnen wir zahlreichen hochwertigen Jungrindern, die frisch aus dem Donorenhotel in Fließem zurückgekehrt sind. Die Abstammungen und Kuhfamilien kommen von den drei Biermanns - das sind Betriebsleiter Marcel, Vater Alfred und Onkel Franz-Josef - wie aus dem Effeff.

Im Stall mit den 120 melkenden Kühen angekommen, zeigt sich der moderne und durchdachte Betriebsablauf: Ein Lely-Fütterungsroboter versorgt die Tiere, während zwei DeLaval-Melkroboter das Melken übernehmen. Bei intensivem Herdenmanagement und sorgfältigster Fütterung wundert es nicht, dass der Betrieb im Schnitt 13.200 kg Milch melkt. Die Kühe von Marcel Biermann sind nicht nur sehr leistungsstark, sondern bleiben auch überdurchschnittlich lange im Betrieb. Beim Blick auf die Daten seiner Kühe fallen zudem die hohen Zwischenkalbezeiten von rund 500 Tagen auf. Für Biermann ist das spätere Besamen seiner Tiere eine bewusste Strategie, da die hochleistenden Kühe die Leistung lange halten können und mit jeder Geburt auch ein gewisses Risiko einher geht. Aktuell stehen bei Biermanns acht Kühe mit 100.000 kg Lebensleistung im Stall. Herausragend unter ihnen: Mareike, eine GIBOR-Tochter mit beeindruckenden 161.014 kg Lebensleistung bei zehn Abkalbungen.

Im Stall begegnet uns auch RUW Emilia, die Großmutter von CHAMPION, die mittlerweile mit EX 90 eingestuft ist und in drei Laktationen bereits 51.500 kg gemolken hat. Urgroßmutter RUW Evelyn, die als Embryo aus US-Import kam, hat sich ebenso eindrucksvoll als Laufstallkuh bewiesen. Die Kuhfamilie, aus der auch die einflussreiche Bullenmutter BMN Elli stammt, geht auf die Ikone Clear-Echo 822 Ramo 1200 EX-94 zurück. Ein weiterer Hingucker war die Vollschwester zu CHAMPION, die ihre erste Laktation mit 10.250 kg abgeschlossen hat und sich als unkomplizierte Laufstallkuh bestens bewährt.

Vom Zuchtbetrieb Biermann sind bei der Phönix Group zwei reinerbig hornlose CR 7 P-Söhne in der Aufzucht, die ebenfalls auf RUW Evelyn zurückgehen. Der sehr komplette Phönix Bulle BMN Contador geht auf Biermanns Kuh RUW London zurück, die 2024 Deutschlands höchste Kuh nach RZG war.

Typisierungsbetriebe der ersten Stunde

Am Abend referierte Zuchtberater Christoph Niehues-Pröbsting im Rahmen einer Junglandwirte-Veranstaltung von WLV Next Generation und RUW auf dem Betrieb Vogel zum Thema Herdentypisierung.

Im Anschluss an einen spannenden und praxisnahen Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion unter den rund 20 anwesenden Junglandwirten. Danach hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, die beeindruckende, rein rotbunte Holstein-Herde der Familie Vogel zu besichtigen. In Kesberg im märkischen Sauerland bewirtschaftet der Betrieb Vogel einen Milchviehbetrieb mit 140 Kühen. Seit mittlerweile acht Jahren ist der Betrieb Teil des HerdScan-Programms. 

Für Betriebsleiter Johannes steht die wirtschaftliche Kuh im Mittelpunkt, weshalb die Herdentypisierung ein wertvolles Instrument zur gezielten Selektion ist. Gemeinsam mit RUW-Berater Benedikt Große setzt er auf hohe RZ€-Bullen und paart diese gezielt an. Zusätzlich nutzt er die genomischen Zuchtwerte, um schon früh fundierte Selektionsentscheidungen treffen zu können.

Am darauffolgenden Tag stand ein Seminar speziell für Herdentypisierungsbetriebe auf dem Programm. Für den Praxisteil versammelten sich rund 50 Landwirtinnen und Landwirte auf dem Hof der Familie Heinemann in Meschede-Remblinghausen.

Im neugebauten Stall – erst 2024 fertiggestellt – werden 120 Kühe mit zwei Lely-Melkrobotern gemolken. Die Heinemanns sind von Beginn an Teil des Projekts KuhVision und zählen damit zu den Vorreitern in Sachen genomischer Selektion. Für Sebastian und Willi Heinemann war die Erfassung von Gesundheitsdaten ein zentraler Beweggrund für ihre Teilnahme. Ihr Ziel: Die Tiere besser verstehen und langfristig noch gezielter selektieren. Funktionalität und Nutzungsdauer spielen auf dem Betrieb schon seit Langem eine entscheidende Rolle. Mit dem Neubau des Stalls rückten zudem Leistung und Robotertauglichkeit verstärkt in den Fokus der Bullenwahl.

Zuchtberater Benedikt Große veranschaulichte im praktischen Teil des Seminars eindrucksvoll, wie stark das genomische Profil einzelner Kühe mit ihren tatsächlichen phänotypischen Merkmalen übereinstimmt. Für Sebastian Heinemann liegt der größte Mehrwert der Herdentypisierung in der deutlich gezielteren Anpaarung – so könne er schneller züchterische Fortschritte in den gewünschten Merkmalen erzielen. Die Auswertungen des Genotyp-Phänotyp-Vergleichs bestätigten dies eindrucksvoll: Seit 2019 ist ein klarer Zuchtfortschritt erkennbar – insbesondere bei den Gesundheitsmerkmalen.

Ein herzliches Dankeschön gilt allen besuchten Betrieben für die spannenden Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Die zwei Tage waren ausgesprochen wertvoll, um Herdentypisierung in der Praxis zu erleben und wertvolle Einblicke in die vielfältigen Erfahrungen und Erfolgswege der Betriebe zu gewinnen.

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