Nach einigen Stunden Fahrt und der obligatorischen Vorstellungsrunde aller Teilnehmer erreichten die Jungzüchter und ihr Busfahrer Micha pünktlich zu Mittag die Fähre in Calais. Von dort setzten sie nach Dover über und fuhren weiter Richtung London, wo sie am Abend in Watford, einem Vorort von London, das Hotel bezogen.
Gestärkt mit einem ordentlichen Frühstück und einem Lunchpaket für den Nachmittag, ging es am folgenden Tag um 7:30 Uhr zu den drei geplanten Betriebsbesichtigungen. Bei der ersten Farm, der „Shanaell Holsteins“, südlich von Birmingham, bekamen die Jungzüchter einen ersten Einblick in die englische Milchviehhaltung. Es werden derzeit 400 Kühe gemolken, wobei bei höheren Preisen auch aufgestockt wird. Die Farm wird von zwei Brüdern und dem Altenteiler betrieben und bewirtschaftet eine Fläche von 450 ha. Um die Arbeit zu bewältigen, haben sie zwei fest Angestellte und Aushilfen, zudem wird die Feldarbeit, weitestgehend vergeben. Aus Gründen der Arbeitszeit sind die Betriebsleiter im Schaugeschäft nicht mehr aktiv, jedoch sind sie begeisterte Züchter und konnten die Abstammungen der Kühe, bei einer relativ großen Herde, aus dem Stehgreif nennen. Im Betrieb wird ein klares und striktes Management gefahren. Für die laktierenden Kühe gibt es eine Voll-TMR, die Trockensteher werden in einem großzügigen Strohstall gehalten und bekommen, wenn sie durch ein Klauenbad zum Futtertisch gehen, eine faserreiche Ration. Die laktierenden Kühe werden in Sandboxen gehalten und die Laufgänge werden dreimal täglich zu den Melkzeiten per Schlepper entmistet. Gemolken wird in einem doppel-14er Melkstand mit einer automatischen Dipvorrichtung und einer Zwischendesinfektion. Das konsequente Management zahlt sich aus, so die Betriebsleiter. Sie haben einen Herdenschnitt von etwa 12.000 Liter, wobei die Inhaltsstoffe, laut der Betriebsleiter, derzeit keine große Rolle für die Bezahlung spielen. Aus diesem Grund liegt die höchste Priorität bei der Milchleistung. Aktuell werden 25 Pence für den Liter Milch ausgezahlt, zur Hochpreisphase gab es bis zu 34 Pence pro Liter (umgerechnet 46 Cent). Es kommen bei der Farm „Shanaell Holsteins“ nur genomisch getestete Bullen zum Einsatz, da sich die Betriebsleiter davon den höchsten Zuchtfortschritt versprechen.
Auf dem nächsten Betrieb lag der Schwerpunkt auf der Zuchtviehvermarktung und der Schaubeschickung. Von den 70 Kühen der „Richaven Holsteins Farm“ waren 30 Kühe mit Excellent eingestuft und alle anderen, bis auf eine, mit Very Good. Die Besonderheit des Betriebes war ein großzügiger Strohstall und die friedfertigen und zutraulichen Kühe. Die gesamte Reisegruppe lief kreuz und quer durch den Stall, um die großen exterieurstarken Kühe zu bewundern. Die Kühe sind dies jedoch gewohnt, wie die Landwirtin und ihr Sohn versicherten. Der Herdenschnitt liegt bei 10.600 Litern, wobei die Ration im Winter zu 40 % aus Gras und zu 60 % aus Maissilage besteht, zusätzlich bekommen die Kühe Heu ad libitum und Ausgleichsfutter. Das Milchleistungsfutter wird im Doppel-5er Fischgrätenmelkstand gefüttert, hierfür sind alle Kühe mit farbigen Klebebändern am Schwanz markiert, damit sie die richtige Kraftfuttermenge zugeteilt bekommen. Der Betrieb bewirtschaftet 194 ha, die von Generation zu Generation gepachtet werden. Neben der besichtigten Hauptfarm gibt es eine weitere, auf der das Jungvieh aufgezogen wird.
Nachdem sich die beeindruckten Jungzüchter nur schwer von dem Betrieb lösen konnten, da die Landwirtin eine Top-Kuh nach der anderen zeigte, ging es weiter zur Farm „Sahara Holsteins“. Auf diesem Betrieb stehen 200 Rinder, wovon aber nur 30 laktierende Kühe und alles andere Jungtiere und Trägertiere sind. Dieser Betrieb gleicht einer Besamungsstation, wo auf der Tagesordnung Embryogewinnung und -transfer stehen, so auch am Tag, als die RUW-Jungzüchter vor Ort waren. Bei der „Sahara Holsteins“ steht die Topgenetik der Schwarzbuntzucht. Bullenstationen aus ganz Europa gehören zur Kundschaft des Landwirts David Jones. Der Kuhstall würde in einem hiesigen Produktionsbetrieb Platz für 200 Kühe bieten. „Sahara Holsteins“ beherbergte stattdessen 30 laktierende Kühe, Trockensteher und Einzelboxen für frischmelkende Kühe sowie Einzelboxen für Tränkekälber. Daneben waren ein großer Laufhof sowie der Doppel-6er Melkstand mit dazugehörigem Wartehof und ein Einzelstand für die Embryonengewinnung in den Stall integriert.
Nach diesen vielen Eindrücken ging es zurück ins Hotel. Am letzten kompletten Tag in England wurde bei Sonnenschein London mit seinen Sehenswürdigkeiten erkundet. Der Tower of London, das Parlamentsgebäude, der Buckingham Palace und vieles mehr wurden auf der Stadtrundfahrt angesteuert und danach noch fußläufig angesehen. Am Sonntag erfolgte dann die Rückreise. Es ging mit dem Bus zur Fähre, die nach Dünkirchen übersetze und von da aus zu den einzelnen Einstiegsorten, sodass am Sonntagabend alle Teilnehmer wohlbehalten und mit vielen Eindrücken von der Insel zurück nach Hause kamen.
Besonderer Dank gilt Heinrich Schulte, der die Reise organisiert, Jakob Steitz, der als Übersetzer fungiert und Lutz Langert, der im Namen der RUW die Reiseleitung von Friederike Laustroer als Vertretung übernommen hat.
Christoph Hoffmanns
Tolle Fotos von Tim Merkamp findet ihr hier!